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Demografische Wende in China: Der Wunsch nach mehr Kindern

Chinesische Kinder mit Seifenblasen. Foto: L. Rösgen

Die sinkende Geburtenrate in China bereitet der Regierung Sorge. Um unter anderem potenziellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen entgegenzuwirken, setzt sie eine Politik zur Förderung von Geburten durch. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Maßnahmen der chinesischen Regierung und ihre Auswirkungen.

Am 10. Februar 2024 begann in China das Jahr des Drachen, das traditionell für Glück, Reichtum und Wandel steht. Dieses Jahr verspricht nicht nur eine Fülle von positiven Aussichten, sondern birgt auch Hoffnungen auf eine Zunahme von Eheschließungen und vor allem von Geburten. Angesichts der möglichen Herausforderungen durch die sinkende Geburtenrate in China wäre ein Anstieg der Geburtenzahlen im Jahr des Drachen eine erfreuliche Nachricht für die chinesische Regierung. Um der demografischen Krise entgegenzuwirken, plant die chinesische Regierung Maßnahmen, die Familien dazu ermutigen sollen, mehr Kinder zu bekommen.

Wie sieht die Entwicklung der reproduktiven Rechte und Gesundheit in China historisch aus? Welche politischen Maßnahmen werden von der chinesischen Regierung geplant, um Geburten zu fördern und welche Auswirkungen haben diese?

Reproduktive Rechte und Gesundheit in China

In China profitieren Schwangere von einem äußerst fortschrittlichen Gesundheitssystem. Sie haben die Möglichkeit, schnell und einfach auf unterschiedliche Beratungsangebote zuzugreifen, sei es durch Schul-, Betrieb- oder Hausärzt:innen. Die maternale Sterberate, also die Sterberate von Müttern während der Schwangerschaft, Geburt oder im Wochenbett, pro 100.000 Geburten ist von 89 im Jahr 1990 auf 16,9 im Jahr 2020 gesunken. Ein Wert, der sich nur knapp über dem europäischen Durchschnitt bewegt. Im Falle einer Schwangerschaft besteht Zugang zu einer verbesserten Versorgungsinfrastruktur.

Die chinesische Regierung hat angekündigt, das bestehende Angebot der prä- und postnatalen Gesundheitsversorgung weiter auszubauen. Auch der Zugang zu Einrichtungen, die sichere Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist in China gewährleistet. Diese Abbrüche werden durch das „Gesetz zum Schutz der Rechte und Interessen von Frauen“, welches im Jahr 2022 in Kraft trat, und das „Gesetz zur Bevölkerungs- und Familienplanung“ aus dem Jahre 2021, geschützt, was das chinesische Abtreibungsrecht zu einem der fortschrittlichsten weltweit macht.

Volljährige Personen genießen uneingeschränkte Selbstbestimmung in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche, während Minderjährige die Zustimmung ihrer Erziehungsberechtigten benötigen. Die begrenzte Autonomie für Jugendliche spiegelt eine Schwäche des Systems wider, da für diese Gruppe ein unzureichendes medizinisches Versorgungsangebot bei Abtreibungen besteht. Ähnliche Herausforderungen betreffen auch marginalisierte Gruppen, wie Wanderarbeiter:innen und Mitglieder der LGBTIQ+ Community, für die es keine entsprechenden staatlichen Angebote gibt.

Gesellschaftliche Normen wie auch demographische Zielsetzungen üben in China einen erheblichen Einfluss auf die Familienplanung aus. Traditionelle Familienbilder, eine alternde Gesellschaft, das statistische Geschlechterungleichgewicht, sowie sinkende Geburtenraten beeinflussen das staatliche Angebot im Bereich der Reproduktionsfürsorge.

In den letzten Jahrzehnten wurde die Familienplanung der chinesischen Bevölkerung durch staatliche Vorgaben stark reguliert. Gesetze und Vorschriften, wie beispielsweise die Ein-Kind-Politik (chin.: 一孩政策), welche 1980 eingeführt und 2015 aufgehoben wurde, reduzierten die Selbstbestimmung hinsichtlich der Frage, wann und in welchem Abstand Familien wie viele Kinder haben durften. Diese gesetzlichen Beschränkungen wurden mit unterschiedlichen Mitteln durchgesetzt, die von Propagandakampagnen über Strafzahlungen bis hin zu Zwangsabtreibungen und Sterilisationen reichten.

Patriarchische und patrilineare Strukturen beförderten geschlechterselektive Abtreibungen, die Freigabe zur Adoption weiblicher Neugeborenen bis hin zum Kindesmord. Dies führte zu einem demographischen Ungleichgewicht, welches in China im Jahr 2019, vier Jahre nach dem Ende der Ein-Kind-Politik, bei 100 Frauen zu 113 Männern lag, im globalen Durchschnitt ist das Verhältnis 100:103.

Von Geburtenminimierung zur Geburtenförderung

Reproduktive Rechte stehen in China in enger Verbindung mit den staatlich initiierten Plänen zur Bevölkerungskontrolle. In den Anfangsjahren der Volksrepublik verfolgte Mao Zedong das Ziel einer großen Bevölkerung, um China zu stärken. Frauen wurden dazu ermutigt, möglichst viele Kinder zu bekommen. Mit dem Tod Maos und einem Führungswechsel erfolgte jedoch ein Paradigmenwechsel. Die rapide wachsende Bevölkerung führte zu Problemen. Durch Fortschritt, Post-Bürgerkrieg und Wirtschaftswachstum, sowie dem hohen Ansehen der Großfamilie in China im Allgemeinen und Maos „Großem Sprung nach Vorne“ – Restrukturierung der Agrarwirtschaft – stieg die Bevölkerungszahl rapide an und die Lebensmittelversorgung brach ein, Millionen verhungerten. Infolgedessen wurden Maßnahmen ergriffen, um das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen, was schließlich mit der national verkündeten Ein-Kind-Politik (chin.: 一孩政策) von 1980 gesetzlich verankert wurde. Die Ein-Kind-Politik hatte positive wie auch negative Auswirkungen auf die reproduktiven Rechte sowie auf die Situation der Frau in China, einige betrachten wir nachfolgend näher. Teil des Programms war unter anderem eine Reihe von Maßnahmen, welche die Rechte und Gesundheit von Frauen im Rahmen der Geburtenkontrolle verbesserten, diese existieren bis heute.

Gleichzeitig griff die Gesetzgebung stark in einen hochgradig persönlichen Bereich ein und hatte erhebliche Auswirkungen auf die Lebensentscheidungen der Menschen. Beispielsweise wurden Abtreibungen häufig durchgeführt, wenn bekannt wurde, dass es sich um einen weiblichen Fötus handelt. Der Wunsch nach einem männlichen Nachfahren, der den Namen weiterführt, und als Erbe einsetzbar war, war groß. Das Einfrieren von Eizellen wird in China bis heute restriktiv gehandhabt, so dürfen unverheiratete Frauen nur in wenigen Ausnahmefällen ihre Eizellen einfrieren lassen, während das Einfrieren von Spermien, unabhängig vom Familienstand, erlaubt ist. Auch der Zugang zur künstlichen Befruchtung ist für unverheiratete Personen schwierig.

In den letzten Jahren sank die Geburtenrate in China drastisch. 2023 kam es seit sechs Jahrzehnten das erste Mal zu einem Bevölkerungsrückgang - um 850.000 Einwohner:innen. Gründe für eine sinkende Geburtenrate sind unter anderem steigende Lebenshaltungs- und Bildungskosten. Die konstante Sterberate wird wiederum durch ein verbessertes Gesundheitssystem begünstigt. Diese Tendenzen führen in China zu einer Überalterung der Gesellschaft. Das Schrumpfen des erwerbstätigen Bevölkerungsanteils stellt langfristig einen kritischen Faktor für die chinesische Wirtschaftsentwicklung dar.

Um der sinkenden Geburtenrate entgegenzuwirken, lockerte die Regierung im Laufe der 2010er Jahre ihre bisher restriktive Familienplanungspolitik. Im Jahr 2015 wurde die Ein-Kind-Politik durch die Zwei-Kind-Politik ersetzt. Dies führte zwar zu einem leichten Anstieg der Geburten, jedoch war die Zwei-Kind-Politik keine langfristige Lösung, um die Geburtenrate anzukurbeln. Infolgedessen erließ die chinesische Regierung im Mai 2021 die Drei-Kind-Politik und erlaubte chinesischen Paaren eine Familie mit drei Kindern zu gründen.

Präsident Xi Jinping wünscht sich mehr Kinder

Die derzeitige Bedeutsamkeit des Themas wurde am 30. Dezember 2023 während eines Meetings des chinesischen Staatspräsidenten, Xi Jinping, und der Frauenorganisation der Kommunistischen Partei Chinas, des All-Chinesischen Frauenverbands, von dem Staatspräsidenten bekräftigt.

Während der Veranstaltung äußerte sich der chinesische Präsident wie folgt:

 

《要积极培育新型婚育文化,加强对年轻人婚恋观、生育观、家庭观的引导,促进完善和落实生育支持政策,提高人口发展质量,积极应对人口老龄化。》

„Es ist notwendig, aktiv eine neue Art der Ehe- und Elternschaftskultur zu fördern, junge Menschen in Ehe, Elternschaft und Familie zu lenken, die Verbesserung und Umsetzung von Maßnahmen zur Unterstützung der Geburt von Kindern zu fördern, die Qualität der Bevölkerungsentwicklung zu verbessern und die Bevölkerungsalterung aktiv zu bewältigen.“ Xi Jinping

 

Der All-Chinesische Frauenverband, setzt sich unter anderem für die Familienbildung ein. Durch das Projekt „Kampagne für Familienglück und Wohlbefinden“ sollen die Dienstleistungen der Frauenorganisation in Bereichen wie Gesundheit, Ehe und Familie verbessert werden.

Die Steigerung der Geburtenrate ist von hohem Interesse für die chinesische Regierung und gilt derzeit als eines der Schlüsselthemen ihrer politischen Bemühungen. Im Zuge der Bestrebungen der chinesischen Regierung zur Geburtenförderung erfährt auch die künstliche Befruchtung in China eine Liberalisierung. In Peking übernehmen staatliche Krankenversicherungen neuerdings die Kosten für 16 medizinische Dienstleistungen bei künstlichen Befruchtungen.

Darüber hinaus sollen durch weitere Maßnahmen, wie Steuervergünstigungen, finanzielle Belastungen für Eltern reduziert werden, um die Familienplanung attraktiver zu gestalten. Neben Steuervergünstigungen umfassen diese Maßnahmen längere Mutterschaftsurlaube und die Möglichkeit einer kostenfreien Universitätsbildung ab dem dritten Kind. Zudem soll beispielsweise unverheirateten Personen in Sichuan die Möglichkeit gegeben werden, eine Familie zu gründen und dabei die Vorteile, die bisher nur verheiratete Personen erhielten, zu genießen. Die Registrierung der Kinder bei der Regierung sorgte in der Vergangenheit für Probleme. Einer dieser vorgesehenen Entlastungen für unverheiratete Personen ist die problemlose Registrierung der Kinder ohne zusätzliche Verwaltungskosten.

Pronatalistische Politik und Meinungsbilder der Bürger:innen

Pronatalistische Politik schränkt die reproduktiven Rechte gebärfähiger Personen ein. Um die Anzahl von Abtreibungen zu reduzieren, unternimmt die chinesische Regierung erste Schritte um den Zugang zu „medizinisch nicht notwendigen“ Eingriffen dieser Natur zu erschweren. Welche Maßnahmen laut der chinesischen Regierung durchgeführt werden sollen bleibt bisher unklar.

Trotz der Bemühungen der chinesischen Regierung, treffen viele junge Personen im gebärfähigen Alter die Entscheidung, entweder keine Kinder oder keine weiteren Kinder zur Welt zu bringen. Chen, eine Einwohnerin Pekings, sprach sich in einer ZDFheute-Reportage gegen die Idee aus, ein weiteres Kind zu bekommen. Sie habe keine ausreichende Energie, um ein zweites Kind großzuziehen und die Lebenshaltungskosten seien zu hoch. Der soziale Druck, insbesondere innerhalb des schulischen Umfeldes, führe zu einer Notwendigkeit Kinder finanziell aufwendig privat akademisch zu fördern. Auch ist die Kinderbetreuung bei in Vollzeit arbeitenden Eltern eine Herausforderung. In einem Interview mit der South China Morning Post erklärte Janet Song, eine 25-jährige Angestellte eines Tiercafés in Guangzhou, dass sie sich bewusst dafür entschieden hat, für sich selbst zu leben und vorerst nicht den Weg der Mutterschaft einzuschlagen. Sie sehe sich nicht genötigt, Kinder zu gebären. Zumindest statistisch lässt sich feststellen, dass die Anstrengungen der Regierung, chinesische Familien zur Geburt von Kindern zu ermutigen, bisher (noch) nicht die gewünschten Ergebnisse erbracht haben. Die Geburtenrate des Landes sank 2023 auf durchschnittlich 1,09 Kinder pro gebärfähiger Person.

 

Handan Eda Yildirim @ all

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